- Nordafrika unter dem Islam bis zur osmanischen Eroberung: Eroberte und Eroberer
- Nordafrika unter dem Islam bis zur osmanischen Eroberung: Eroberte und ErobererVon dem Zeitpunkt an, da der islamische Feldherr Amr ibn al-As Ägypten und sein Vorfeld, die Cyrenaica (Barka) erobert hatte (642/643), erhob sich die Frage, ob man weiter nach Westen ausgreifen oder sich mit diesem reichsten aller bisher gewonnenen Länder begnügen sollte. Was die Araber dazu bewegte, die erstere beider Entscheidungen zu wählen, ist und wird nie mit Sicherheit zu entscheiden sein. Jedenfalls stießen sie nach Westen (arabisch Maghreb, »Land der untergehenden Sonne«) vor und eroberten zwischen 647 und 709 die enorme Landmasse bis an die Gestade des Atlantiks, von vielen Rückschlägen und zum Teil empfindlichen Niederlagen begleitet. Der Nachwelt prägte sich vor allem die Gestalt des Okba ibn Nafi ein, der zwischen 663 und 670 Kairouan gründete und zu seinem Hauptstützpunkt machte und in einem kühnen Ritt bis zu den Küsten Marokkos vorstieß, auf dem Rückweg aber 683 in einen Hinterhalt geriet und als Blutzeuge heute noch in Tahuda (bei Biskra) verehrt wird. Die landläufige Vorstellung von ungeheuren Reiterheeren, die Nordafrika überrannt hätten, ist ein Trugbild. Pferde waren schon im vor- und frühislamischen Arabien eine kostbare Rarität. Die Masse der arabischen Erobererheere war Fußvolk. Erst durch die Eroberung Spaniens (arabisch al-Andalus) gelangten die Araber in den Besitz größerer Pferdeherden und konnten zusätzlich Reiterei aufstellen. Die Sicherung des Eroberten verdankten die Araber Musa ibn Nusair, dem Miteroberer von Hispanien, der von 698 an wirkte. Zuerst hatte er mit den Byzantinern zu tun, die indes den Kampf bald aufgaben, dann mit den Einheimischen, den Berbern, den Nachkommen der Libyer, Numidiern und Mauretaniern der Antike. Letztere setzten sich zunächst sehr wirksam zur Wehr, wurden dann aber doch recht rasch — wohl eher oberflächlich — islamisiert. Allerdings schlossen sie sich in ihrer großen Mehrzahl bald den Charidjiten an, da diese nicht automatisch den Arabern Vorzugsbehandlung einräumten. Mehrere Gründe haben zu dieser Haltung der Berber beigetragen: die Verachtung, die die Araber sie spüren ließen, schwere und ungerechte fiskalische Belastungen und schließlich die — einer islamisch gewordenen Bevölkerung gegenüber! — skandalöse, erzwungene Lieferung von Menschen, zumal Frauen, als Ersatz für Steuern. Die Konsequenzen ließen nicht auf sich warten: 740 brach, zunächst in Marokko, eine Rebellion der Berber aus, die auf den gesamten Maghreb übergriff und ihn auf immer der direkten Kontrolle der Kalifen entzog. Es kann nicht nachdrücklich genug auf die Tatsache verwiesen werden, dass der Maghreb in der Folge niemals Teil des Reiches der Abbasiden gewesen ist. Die unzweifelhafte Orientalisierung des Maghreb geschah auf ganz anderem Wege.Nach dem Ende der virulenten Phase des Berberaufstandes etablierten sich an drei Stellen Persönlichkeiten östlicher Herkunft, die nach Vorbildung und Einstellung islamische Gesittung verbreiteten: Im heutigen Marokko wirkte seit 788 (bis 791) ein alidischer (von Ali abstammender) Scherif namens Idris unter den Berbern. Dessen postum geborener Sohn Idris II. schuf sich neben dem von seinem Vater 789 gegründeten Fès 809 eine eigene Hauptstadt al-Aliya, die mit dem vorgenannten Ort zur Stadt Fès zusammenwuchs. In der Folge entwickelte sich Fès zu einem Ausstrahlungsort islamischer Kultur par excellence. In Zentralalgerien gründete um 761 ein ibaditischer Charidjit persischer Herkunft namens Ibn Rustam das Reich von Tahert-Tiaret, dem von allen Seiten, zumal aus dem Orient, verfolgte Anhänger zuströmten. Ifrikija schließlich blieb zunächst noch unter der — nominellen — Kontrolle der Kalifen, entglitt aber mit der Installation der Aghlabiden im Jahre 800 jedweder faktischen Einflussnahme des Orients. Von allen Teilen des Maghrebs hatte es den größten Zustrom von muslimischen Orientalen erfahren und diese Tatsache, verbunden mit den von Kairouan — der ältesten arabischen Gründung des Maghreb — ausgehenden Beeinflussungen, führten zur Arabisierung zunächst weiterer Städte und schließlich auch ländlicher Gebiete. Der größte Teil des flachen Landes blieb freilich berberophon und die ja noch heute keineswegs abgeschlossene Arabisierung des Maghreb eine Folge der Infiltration arabischer Beduinen nach der Mitte des 11. Jahrhunderts.AghlabidenherrschaftDie Herrschaft der drei vorgeführten politischen Schwerpunkte war jedenfalls für alle betroffenen Gebiete eine Periode kultureller und wohl auch wirtschaftlicher Blüte. Dies gilt besonders für Ifrikija, denn die Aghlabiden setzten die aus den vorhergegangenen Epochen — teilweise noch aus der Römerzeit — existierenden Wasserwirtschaftsbauten (Dämme, Staubecken und Ähnliches) wieder instand und vermehrten sie noch. Im Übrigen nahm gerade in diesem Staat die Bedeutung der Charidjiten ab und die Orthodoxie der malikitischen Rechtsschule — einer von vier des sunnitischen Islam — setzte sich durch, und zwar in einer Absolutheit, die der folgenden Herrschaft der schiitischen Fatimiden größte Schwierigkeiten bereiten sollte. Die aghlabidische Herrschaft, die in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts ihre Blütezeit erlebte, wurde immer wieder durch Revolten erschüttert, zumal unter Zijadat Allah I. Der Herrscher griff zu einem beliebten Ausweg: Krieg mit Expansion. Im Jahre 827 wurde die Eroberung Siziliens eingeleitet, das von Auseinandersetzungen unter den Byzantinern, den Herren der Insel, erschüttert wurde. Der Opposition, zumal der islamischen Rechtsgelehrten, entledigte sich Zijadat Allah I. auf sehr geschickte Weise, indem er ihrer Spitze Asad ibn al-Furat den Oberbefehl anvertraute. Mehr als 50 Jahre dauerte es, bis die Insel besetzt war; in der Zwischenzeit hatten die Araber auch auf das italienische Festland ausgegriffen. 840 wurde Tarent, dann Brindisi und Bari (zwischen 847 und 871 ein eigenes Emirat) erobert, 846 Rom geplündert. Aber mit dem Tod Ibrahims II. (902) vor Cosenza endete diese Episode. Auf Sizilien entwickelte sich eine arabisch-islamische Kultur mit griechischem Einschlag, die eigentlich erst im Normannenreich Sizilien-Unteritalien ihre volle Entfaltung erlebte und noch auf Kaiser Friedrich II. nachwirkte, der allerdings die letzten arabischen Widerstandsnester rigoros beseitigte. Das sizilianische Unternehmen zehrte die Widerstandskraft des Aghlabidenstaates letztendlich auf und führte zum Ende der Dynastie, die schiitischer Wühlarbeit erlag. Aber auf lange Sicht gesehen wurde damit in ihrem Kernland der Grund zu einem Staatswesen gelegt, das in wechselnder Gestalt und ebenso wechselndem Staatsgebiet die Zeiten überstand und letzten Endes zur Bildung des Staates Tunesien führte. Die kulturelle Leistung, die auf vielen Gebieten (Architektur usw.) eine starke »orientalische« Ausrichtung vertrat, war beträchtlich und sicherte dem Land für Jahrhunderte die geistige Führung im Maghreb.FatimidenherrschaftDie zunehmende Entfremdung und Kritik der islamischen Rechtsgelehrten an den Regierenden trug dazu bei, dass die Wühlarbeit der Schiiten im Aghlabidenreich ihre Früchte trug: 909 holte der Beauftragte der Fatimiden das Oberhaupt der Schiiten der fatimidischen Bewegung, Abd Allah, aus seinem heimlichen Aufenthalt in der Oasenstadt Sidjilmassa im Südosten Marokkos und zog am 6. Januar 910 feierlich in die Palaststadt Rakkada bei Kairouan ein. Abd Allah wurde zum Kalifen proklamiert. Er beanspruchte aufgrund seiner angeblichen Abstammung von der Prophetentochter Fatima die alleinige Herrschaft über die islamische Gesamtgemeinde. Von Anfang an gedachte er, das Zentrum der islamischen Welt, Bagdad, zu erobern; als Zwischenstation war Ägypten ausersehen, und so verlegte er 923 seine Residenz in den Küstenort Mahdija, um von dort zu gegebener Zeit den Sprung zu wagen.Zunächst aber galt es, die Herrschaft in Ifrikija nach Westen hin zu sichern; in mehreren Feldzügen und Kämpfen gegen die Hawwara-Berber des Aurasgebirges, die ihre Opposition durch ihr Bekenntnis zum Charidjitentum betonten, gelang es ihm schließlich, sich zu behaupten und bis Marokko vorzustoßen. Der slawische Heerführer des Fatimidenkalifen Ismail al-Mansur, Djauhar, unterwarf 958/959 und wiederum 968 den gesamten westlichen Maghreb bis zum Atlantik; auch Fès fiel. Nunmehr konnte man wieder an den Osten denken, und Djauhar nahm 969 die Unterwerfung Ägyptens entgegen, nachdem der zweite Fatimidenkalif al-Kaim (934—946) 914/915 und 919/920 vergeblich versucht hatte, das Nilland einzunehmen. Anschließend begab sich al-Mansur im August 972 mit seinem gesamten Hofstaat und den Verwaltungsbeamten dorthin, wo inzwischen die neue Palaststadt al-Kahira (Kairo) im Bau begriffen war. Dieser Aderlass stellte für Ifrikija eine ernste Schwächung seiner Wirtschaftskraft dar und leitete den allmählichen Verfall seiner Blüte ein. Zurück blieb ein Gouverneur, der Sanhadja-Berber Buluggin ibn Siri, dessen Nachkommen, die Siriden, den Maghreb bis 1048 als fatimidische Vizekönige regiert haben.Während sich dies alles im Osten Nordafrikas abspielte, vollzogen sich auch im Maghreb selbst bedeutsame Veränderungen. Das vorübergehend der Anarchie anheim gefallene al-Andalus wurde unter Abd ar-Rahman III. (912—961) wieder geeint, das Land blühte auf und die Staatskassen waren übervoll. Als verspätete Antwort auf die Schaffung des heterodoxen Kalifats der Fatimiden proklamierte er 929 das orthodoxe Kalifat des Westens. Er wies damit die Fatimiden in die Schranken und betonte den Abbasiden gegenüber den Rechtsanspruch seiner Familie auf das Kalifat. Den Fatimiden gegenüber schritt er zum Gegenangriff: 927 wurde Melilla, 931 Ceuta erobert und in der Folgezeit ein Glacis geschaffen, das sich über Nordmarokko und Westalgerien erstreckte und bis gegen 1016 gehalten wurde. Die weiter reichende Bedeutung dieser Vorgänge liegt u. a. darin, dass das islamische Reich nicht mehr nur einen schiitischen »Gegenkalifen« aufwies, was gewissermaßen noch zu verkraften gewesen wäre, sondern sogar einen sunnitischen; der Zerfall des Gesamtstaates, der ja längst mit Tuluniden und Ichschididen in Ägypten, Aghlabiden, Idrisiden, von den Omaijaden in al-Andalus ganz zu schweigen, begonnen hatte, trat in ein neues Stadium: Das abbasidische Kalifat beschränkte sich nun auf das Zweistromland. Was den Maghreb betrifft, kann man ab jetzt politisch den Osten vergessen, der jeden Einfluss verloren hatte.Allerdings mit einer Einschränkung: Die Siriden und ihre Vettern, die Hammadiden, denen jene die Verwaltung ihrer Westgebiete anvertrauten, sollten bald die Folgen der allmählichen Zurückweisung der fatimidischen Herrschaft zu spüren bekommen, die 1051 zum endgültigen Bruch führte. Die Fatimiden verzichteten auf den Versuch einer Rückeroberung des Maghreb. Sie begnügten sich damit, ihnen ohnehin lästige Beduinenstämme zu ermuntern, ihre bereits begonnene Westwanderung fortzuführen. Bereits 1054 wurde Kairouan von diesen belagert und 1057 macht der Siride al-Muiss ibn Badis die Stadt Mahdija an der Mittelmeerküste zu seiner Hauptstadt. Zu diesem Zeitpunkt beginnt eigentlich so recht die Epoche der berberischen Staaten des Maghreb; die Rolle der ihrer Abstammung nach orientalischen Dynastien ist zu Ende. Die östlichste Macht, die der Siriden, ist das erste Opfer: einerseits der Beduinen, die das flache Land beherrschen und bereits lokale Dynastien stellen, andererseits der Normannen, die sich inzwischen in Sizilien festgesetzt hatten, 1088 Mahdija plünderten und 1148 Susa und Sfax eroberten.BerberreicheEine neue Periode bricht damit an: die der großen Berberreiche — Almoraviden und Almohaden — und dann ihrer Epigonen, der Meriniden in Marokko, der Abdalwadiden in Westalgerien und der Hafsiden in Ifrikija; auch diese drei Letztgenannten der Abstammung nach Berber, aber in ihrer Verwaltungspraxis und Kultur arabisiert. Von Marokko aus, das aufgrund der engen Verbindung mit al-Andalus von dessen Kultur stark beeinflusst wurde, ging dieser Kulturstrom in östliche Richtung und formte die bis dahin deutlich vom Osten des Islam geprägte Kultur allmählich um, sodass nun auch Ifrikija zur Einflusssphäre hispanisch-arabischer Zivilisation gehörte.Die almoravidische Bewegung entspross dem Süden des heutigen Mauretanien, nördlich vom Senegal-Fluss, wo im 9. Jahrhundert oberflächlich islamisierte Vieh züchtende Sanhadja-Stämme lebten. Drei von diesen, die Gudala, die Lamtuna und Masufa, bildeten die Gruppe der »Schleier tragenden« (Männer) — wie heute noch die Tuareg der Sahara, die ebenfalls Sanhadja sind —, wobei die Führung zu Beginn des 11. Jahrhunderts bei den Lamtuna lag, gegen 1046 aber auf das Haupt der Gudala überging. Dieser brachte von einer Pilgerfahrt nach Mekka einen Gelehrten namens Abd Allah ibn Jasin mit, einen Gazula-Berber des Sus, der als eine Art Missionar und Lehrer wirken sollte. Er übte aber dank überzeugender Persönlichkeit und Charisma enormen Einfluss aus. Die Kerngruppe der drei genannten Stämme, die sich von nun an Almurabitun nannten, trat den Marsch nach Norden an und eroberte im Laufe weniger Jahre ganz Marokko. Nach dem Tode Abd Allah ibn Jasins (1058) trat das religiöse Moment (u. a. Durchsetzung puritanischer Prinzipien) in den Hintergrund und Machtpolitik in den Vordergrund. Nachdem Jusuf ibn Taschfin 1061 die Herrschaft übernommen hatte, eroberte er 1075 Fès, Taza, Tlemcen und 1082 Algier. Hilfeersuchen hispanisch-arabischer Kleinkönige führten zum Übersetzen nach al-Andalus, wo er 1086 Alfons VI. von Kastilien und León vernichtend schlug und in den folgenden Jahren die zwar muslimischen, aber als korrupt angesehenen Kleinkönige beseitigte, zum Teil nach Marokko verbannte. Jusuf nannte sich nun »Beherrscher der Muslime« und ließ Goldmünzen mit seinem Namen prägen. Sehr bald aber machten sich vor allem militärische Schwächen bemerkbar, die mit der Beschränkung der Führung auf die drei Kernstämme zusammenhing, die durch die unaufhörlichen Feldzüge natürlich an Menschenkraft verloren hatten. Hinzu kam, dass sich in Marokko selbst eine revolutionäre Gegenbewegung etablierte. Der aus dem Antiatlas stammende berberische Gelehrte Mohammed Ibn Tumart (1091—1130), der sich als Mahdi (»Messias«) und unfehlbarer und sündenloser Imam sah, wurde der Vertreter einer islamischen Richtung, deren Hauptanliegen die Betonung der absoluten Einheit Gottes war — weswegen sich seine Anhänger almuwahhidun »Einheitsbekenner« (daraus »Almohaden«) nannten. Sie sahen den Kampf gegen die Ungläubigen, aber vor allem gegen die Almoraviden als heilige Pflicht an. Man wird, jenseits aller Dogmatik, in dieser Gegnerschaft auch eine Umsetzung der quasi »Erbfeindschaft« zwischen nomadischen Sanhadja-Berbern und sesshaften Masmuda des Atlas ins Religiöse sehen dürfen.Auch in al-Andalus zerbröckelte die almoravidische Macht und in Marokko setzten sich die Almohaden, dank einer äußerst effektiven Führung und Organisation, mit der Eroberung von Fès und Marrakesch (1046) durch. Wie bei den Almoraviden trat nach dem Tode des Begründers der religiösen Bewegung mit der Nachfolge durch seinen engsten Jünger, Abd al-Mumin, einem nordwestalgerischen Berber, den außerordentliche administrative und militärische Fähigkeiten auszeichneten, das religiöse Moment hinter das machtpolitische zurück. Zwar blieben die Almohaden zunächst die rigorosen Puritaner, als die sie in die Geschichte eingetreten waren; aber allmählich setzte sich auch bei ihnen, zumal bei den im 1146—50 ebenfalls eroberten al-Andalus stationierten, eine verfeinerte Kultur durch. Abd al-Mumin griff nun nach Osten aus: Er beseitigte die Hammadiden (1151), schlug 1152 die arabischen Beduinen und eroberte 1160 Ifrikija und Tripolitanien, von wo er die Normannen Rogers II. vertrieb. Es war der Augenblick, da der gesamte berberische Maghreb von einem Berber geeint und beherrscht wurde — übrigens das einzige Mal.Als der Herrscher 1163 in Rabat starb, hinterließ er einen geordneten und reichen Staat mit einem effektiven Regierungsapparat. Die beiden Nachfolger, Abu Jakub Jusuf (1163—84) und Jakub al-Mansur (1184—99) waren tüchtige Herrscher, die das Erreichte bewahrten, wenn auch schon die ersten Schwierigkeiten auftraten: das Vordringen der Portugiesen (1165 wurde Évora von ihnen erobert) und — viel schlimmer — die Landung der almoravidischen Gouverneure der Balearen in Ifrikija (1184). Als deren Letzter 1236 in der Wüste als gejagter Räuberhauptmann starb, lagen Ifrikija und das spätere Algerien in Trümmern, entvölkert und mit ruinierter Wirtschaft. Auch in al-Andalus neigte sich die Sonne der Almohaden; zwar konnte Alfons VIII. von Kastilien 1195 bei Alarcos vernichtend geschlagen werden und musste anschließend Tribut entrichten, aber 1212 siegte er, unterstützt von Navarra und Aragonien bei Las Navas de Tolosa am Südabhang der Sierra Morena über die Muslime und besiegelte damit das Ende der Almohadenherrschaft in Spanien.Zugleich gewann der Osten des Reiches unter den Hafsiden zunehmend an Unabhängigkeit (endgültig 1228 bzw. 1236) ebenso wie Tlemcen (1235/36), während die Meriniden, berberische Nomaden mit großen Schafherden (Merinoschafe), in den Ebenen Ostmarokkos auftauchten. Im Jahre 1248 bemächtigten sich die Meriniden der Stadt Fès, in eben dem Jahre, da Ferdinand III. Sevilla einnahm und die muslimischen Einwohner vertrieb. Wie so oft in der Geschichte, würde man für die Schilderung der Geschichte der Epigonen mehr Platz brauchen als für die der »Gründer«; wir müssen es hier mit einigen Strichen bewenden lassen: Alle drei Dynastien haben eine sehr bewegte Geschichte, haben z. T. Bedeutendes, etwa in der Architektur und in der Literatur, geleistet und sind dann beim Heraufziehen neuer Großmächte mehr oder weniger kläglich untergegangen. Die Meriniden haben ein letztes Mal in al-Andalus — nunmehr beschränkt auf das Königreich Granada — interveniert und bis 1344 den nasridischen Sultanen ein oft lästiges Söldnerkorps gestellt, haben 1337 Tlemcen und 1347 Tunis erobert. Die Besetzung Ceutas durch die Portugiesen 1415 ist der Paukenschlag, der das Ende (mit der kurzlebigen Dynastie der Wattasiden) ankündigt. An die Stelle der Portugiesen traten später die Spanier; die Ersteren besetzten allmählich fast alle Städte bzw. Häfen der Atlantikküste. Nach einer Periode der Blüte und Machtentfaltung, die freilich des Öfteren durch Rebellionen und Niederlagen unterbrochen wurde, geht nach 1488 das Hafsidenreich rasch dem Verfall entgegen: Der letzte Hafside, al-Hasan, wird zur Marionette Karls V. bzw. der Spanier, die von Westen her Häfen wie Bidjaya (1510), Tunis (1517), aber auch Tripolis (1510) besetzen; nun treten zugleich deren Gegenspieler auf: zunächst in Gestalt türkischer Piraten, die sich zu türkischen Befehlshabern wandeln. Die beiden Großmächte der Epoche, Spanien und das Osmanische Reich, stehen zum Beginn der Neuzeit, im Maghreb aufmarschiert, einander kampfbereit gegenüber.Prof. Dr. Hans-Rudolf Singer, GermersheimWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Nordafrika in der frühen Neuzeit: Zwischen Europäern und OsmanenGrundlegende Informationen finden Sie unter:
Universal-Lexikon. 2012.